So oder so falsch – über den Militärprozess gegen Journalisten des «SonntagsBlick»

» SonntagsZeitung; 15.04.2007; Seite 22

Nächsten Dienstag findet vor dem Militärgericht 6 der Prozess gegen drei «SonntagsBlick»-Journalisten statt, die ein als «geheim» klassifiziertes Fax-Schreiben veröffentlicht haben. Der Fall findet erwartungsgemäss hohe Beachtung. Die angeschuldigten Medienschaffenden inszenieren sich als wehrlose Opfer, die zu Unrecht des Landesverrats bezichtigt sind und denen eine fünfjährige Zuchthausstrafe droht.

Fakt ist, dass eine allfällige Verletzung militärischer Geheimnisse vorliegt, die mit Freiheitsstrafe (was nichts mit Zuchthaus zu tun hat) bis zu fünf Jahren bzw. mit einer Geldstrafe bestraft wird. Wobei das Theater, das sich rund um diesen Militärprozess abspielt, mehrheitlich auf das Verhalten des schweizerischen Nachrichtendienstes und der Armeeführung selbst zurückzuführen ist.

Erst klassifizierte der Nachrichtendienst den ägyptischen Diplomaten-Fax als «geheim», obwohl er einzig gesammeltes, aber unbestätigtes Medienmaterial enthält. Anstatt sich in der Folge zu überlegen, dass mit einer «Entwarnung» durch eine nachträgliche Deklassifizierung des Schreibens weiterer Schaden vermieden werden könnte, eröffnete die Armee ein militärrechtliches Verfahren gegen die Medienschaffenden, die das Schreiben publik machten. Mit der Folge, dass der Nachrichtendienst vor den Schranken des Gerichts weitere Angaben über die Arbeitsweise und das Vorgehen des Nachrichtendienstes preisgeben muss. Was tatsächlich dazu führen könnte, dass «die Auftragserfüllung von wesentlichen Teilen der Armee bekannt wird», wie es im Militärstrafrecht heisst. Das könnte das Verhältnis zur Ausland-Diplomatie wirklich stören.

Jene, welche dieses ungeschickte Verhalten ausbaden müssen, sind in erster Linie die Militärrichterinnen und -richter, die in der Öffentlichkeit seit je als Verbohrte, dem Kalten Krieg nachtrauernde Falken wahrgenommen werden, die nur danach lechzen, Dienstverweigerer ins Gefängnis zu werfen oder Schweizer Offiziere freizusprechen, die sich ohne Bewilligung des Bundesrats bei der Fremdenlegion andienen, weil sie endlich einmal in einem echten Krieg herumballern wollen. Es scheint deshalb von vornherein klar, dass ein solches Richtergremium mit grösstem Vergnügen Journalisten verurteilt, die Vorfälle in der Armee aufdecken.

Unter diesem Aspekt können die Militärrichter urteilen, wie sie wollen: Falsch wird es ohnehin sein. Es wird heissen, das Urteil sei von aussen beinflusst worden. Sollten die Medienschaffenden freigesprochen werden, dann hat die Justiz dem Druck der Öffentlichkeit nachgegeben. Kommt es zu einer Verurteilung, wird es heissen, dass sich die Richter eben nicht vorschreiben lassen wollten, wie sie zu richten haben.

Es ist höchste Zeit, Zivilpersonen nicht mehr von der Militärjustiz beurteilen zu lassen. Nicht etwa, weil die Laienrichter der Militärjustiz weniger gut als die Zivilrichter in der Lage wären, ein objektives Urteil zu fällen, worüber sich jedermann durch den Besuch einer öffentlichen Verhandlung überzeugen könnte. Sondern weil die Öffentlichkeit die Richter in Uniform für befangen hält. Man muss darum den Verdacht eines interessengeleiteten Entscheids in eigener Sache ein für alle Male aus dem Wege räumen.

Die Zivilgerichte dürfen sich darauf freuen, künftig über Medienschaffende zu urteilen, die so genannt Geheimes aus der Armee publik machen. Der Protest wird allerdings nicht weniger gross sein als am Dienstag. Medienschaffende werden sich immer publikumsträchtig zur Wehr setzen, wenn es um die Pressefreiheit geht. Beim gegenwärtigen Angriff auf die Militärgerichte schlägt man also den Sack und meint den Esel.

SonntagsZeitungs-Redaktorin Esther Girsberger ist selber Mitglied des Militärgerichts 6. Sie ist am Dienstag nicht im Einsatz.

«Man schlägt also den Sack und meint den Esel»